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WIESENBLUMEN ZUM FRÜHSTÜCK


Was könnte ich dir zum Welttag des Buches Besseres präsentieren als - ein Buch? Wir haben es letzte Woche gemeinsam vorgestellt, die Autorin Rosa Spiess und ich, anlässlich einer Lesung in der Lesegesellschaft des Ausserrhodischen Bühler. Es ist ihre eigene erschütternde Lebensgeschichte. Rosa Spiess ist selber eine von den Hiesigen, hat sie doch ihre karge Kindheit auf abgeschiedenen Höfen rund um Bühler im Appenzeller Mittelland verbracht.

Brigitta Schmid fasst den Abend im Gaiser Lokalblatt so zusammen:

Das Buch, das von einer bitterarmen Kindheit erzählt, liess keinen im Publikum unberührt. Auch wenn viele im Saal wussten, von welchen Wohnorten die Autorin redete, wenn sie sagte, dass sie in der 'Lienzeren', der 'Unteren Hofstatt' und im 'Lanzen' gewohnt habe, so wurde man doch in ihren Erzählungen mit einer ganz anderen Lebenswelt konfrontiert, als sie sich heute an diesen Orten zeigt.

Mit dem 'Lebensbericht eines unerwünschten Kindes' aus der späten Nachkriegszeit legt Rosa Spiess eine erschütternde Sozialstudie der entbehrungsreichen Jahre ihrer Kindheit vor. Als viertes Kind in eine bitterarme Familie am Rande der Dörfer Bühler und Gais hineingeboren, hatte sie von Anfang an einen prekären Stand in der Welt. Der Vater war bereits bei ihrer Geburt mit Kinderlähmung geschlagen und arbeitete, wenn die Gesundheit es zuliess, zuhause als Heimweber. Ihre gesamte Kindheit hindurch wird sich die Mutter für das nackte Überleben ihrer Kinder abarbeiten und um deren Verbleib in der Familie sorgen.

Und doch sitzt an diesem Abend eine ruhige, humorvolle und lebensbejahende Autorin dem Publikum gegenüber. Sie weiss lebhaft zu erzählen und liest gerne die eine oder andere Anekdote aus ihrer Kindheit vor, welche die Zuhörer im Saal mitnehmen in eine andere Welt.

Äusserst karge Kindheit

Selbst anwesende Altersgenossinnen der Autorin zeigen sich betroffen ob so viel Vernachlässigung, Armut und Einsamkeit, die die Kinder durch ihre Schulzeit begleitet hat. Sie hätten halt aneinander Halt finden müssen, betont die Autorin, und sie hätten auch in der Natur manch schmackhaftes Kraut gefunden, das sich zubereiten liess und der Familie das Überleben sichern half. Guggerchlee und Habermarch seien nur zwei der Wiesenblumen, die sie jeweils direkt ab der Wiese in den Mund gegessen hätten, wenn sie jeweils lange Zeit keinen Salat zu essen bekommen hätten, sagt Spiess.

Dass das Mädchen schliesslich eine Lehrstelle als Zuschneiderin ergattern konnte und anschliessend eine interessante Lehrzeit in einer wohlhabenden Familie in Schweden verbringen konnte, hat ihr die Welt eröffnet und die grosse Liebe gebracht. Selbst als sich in der Ehe Alkoholprobleme bemerkbar machen, bleibt Spiess, wie sie lakonisch bemerkt, was sie schon immer war: eine Überlebenskünstlerin.

Stägeli uf Stägeli ab

In ihrem Buch zitiert sie das bekannte Lied der Geschwister Schmid 'Stägeli uf Stägeli ab' als ihr Lebensmotto. Genauso sitzt sie an diesem Abend auch vor ihrem Publikum: als eine starke Frau, die trotz allem, das sie immer wieder hinunter gezogen hat, den Weg nach oben gesucht und gefunden hat. Nicht zuletzt auch mit dem Schritt in die Biografie-Werkstatt St. Gallen, den sie vor einem Jahr gemacht hat, um sich Hilfe zu holen für das Aufschreiben all der Erinnerungen, die ihr auf Herz und Lunge drückten. Sie bezeichnet es als Glücksfall, dass mit der Werkstatt-Leiterin Monika Hasler eine so gute Zusammenarbeit entstanden ist, die es ermöglichte, das Buch in nur vier Monaten fertig zu stellen.

Die schwierigsten Dinge hat sie sich nun von der Seele geschrieben und möchte damit auch anderen Menschen Mut machen, Schweres nicht einfach hinunter zu schlucken.

Das Buch 'Guggerchlee & Habermarch' ist in der Edition Punktuell des Appenzeller Verlags erschienen und im Buchhandel oder Online erhältlich.

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