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DREI LEBENSGESCHICHTEN AM LITERATURFESTIVAL 'ZÜRICH LIEST'

'Zürich liest' hat gestern ins Zentrum Karl der Grosse eingeladen zur Lesung von drei Biografien, die im Rahmen des Kulturprojektes Edition Unik entstanden sind.

Foto: Mona Hasler

Abenteuer Urwaldspital

Das Turmzimmer füllte sich rasch und die lesenden Autoren und Autorinnen wurden vorgestellt. Als erste las Pia Tschupp, eine pensionierte Lehrerin aus der Innerschweiz, die sich als junge Frau den Traum erfüllte, in Lambarene im Spital des 'Urwalddoktors' Albert Schweitzer zu arbeiten. Im Kapitel, das sie den Zuhörern aus ihrem Buch vorlas, schilderte sie unter anderem die Mühen und Freuden, die es ihr bescherte, ihren gelben VW Käfer aus der Schweiz nach Afrika überführen zu lassen.

Eine Geschichte der Heilung

Die zweite Autorin, Mary Rose W., hatte eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Sie war Jahrzehnte lang Opfer von unerklärlichen Krampfanfällen gewesen und beschreibt in ihrem Buch, wie sie nach einem langen, schmerzvollen Weg der Heilung nun endlich davon genesen ist. Als Mutter von drei Kindern war natürlich ihre Familie ebenso betroffen von ihrer Geschichte. Darum sind in ihrem Buch auch Texte ihrer drei Kinder enthalten, in denen diese ihre Sicht der Leidenszeit und dem Prozess der Heilung beschreiben. So wechselten sich auch beim Vorlesen Mutter und Tochter ab. Der Zuhörer begriff, dass das Schreiben eines Buches für eine Familie eine wertvolle Möglichkeit bedeutet, sich zu artikulieren, sich über schwierige Erlebnisse auszutauschen und neu zueinander zu finden.

Anekdoten aus der Klosterschule

Auch der dritte Autor, Jürg Vogel aus Engelberg, war nicht allein gekommen. Er las abwechslungsweise mit seinem Vater, der ihm, wie er sagte, viele wichtige Fragen hatte beantworten können, als er auf der Suche nach den Geschichten seiner Kindheit war, die er dieses Jahr in seinem Buch bei Edition Unik für seine Familie geschrieben hat.

Jürg Vogel unterhielt die Zuhörerschaft mit amüsanten Geschichten aus dem Anekdotenteil seines Buches. So hat die ganze Zuhörerschaft mit ihm geschmunzelt über den Pater, der den Zöglingen, die sich unerlaubt in den Abendausgang gestohlen hatten, die Schlüssel zu ihren Zimmern abgezogen und dann auf einen Haufen geworfen hatte, um sie beim späten Heimkommen erst einmal zu informieren, dass ihre Abwesenheit sehr wohl bemerkt worden war, und dass sie sich jetzt zweitens daran machen mussten, mühsam aus dem Haufen den eigenen Schlüssel zu identifizieren, bevor sie endlich zu ihrer Nachtruhe kamen.

Der Schreibprozess

Was seinen Prozess des Schreibens betrifft, so lasse ich Jürg Vogel hier gleich selber zu Wort kommen:

"Während des Schreibprozesses erinnerte ich mich immer wieder an amüsante Begebenheiten, die sich in meinem Leben ereigneten. Ich wollte diese Geschichten ebenfalls festhalten. Die Biografie eignete sich dafür aber schlecht, weil die einzelnen Lebensabschnitte ein falsches Gewicht erhalten hätten. Ich schrieb die Anekdoten daher in einem zweiten Teil des Buchs.

So fasziniert ich in das Projekt einstieg, so interessant waren auch die vier Monate, die mir für die Abfassung zur Verfügung standen. Der Austausch mit den anderen Projektteilnehmenden in den Netzwerkveranstaltungen brachte mich mit unbekannten Menschen zusammen, die sehr offen über ihre teils eindrücklichen Geschichten sprachen. Wir konnten aber auch ganz praktische Punkte besprechen, denen wir bei der Schreibarbeit begegnet sind.

Der Mehrwert

Der Mehrwert für mich war die Tatsache aufschlussreich, dass ich in kurzer Zeit die mir bekannten Fakten aus meiner Vergangenheit präzis in Worte fassen musste. So bekam ich die Gelegenheit alle meine Lebensabschnitte einander gegenüberzustellen und neu in einem bereits sechzigjährigen Leben einzuordnen. Viele Ereignisse erhielten so eine neue Bedeutung. Unscheinbares entpuppte sich auf einmal als zentrale Erlebnisse. Ich begann gewisse Entscheide in einem anderen Licht zu sehen und somit auch besser zu verstehen.

Und es stellten sich Fragen. Fragen, die ich weder mir noch anderen Personen je gestellt hatte. Fragen, die ich zuvor gar nicht kannte. Einige konnte ich selber beantworten, andere diskutierte ich in meinem Umfeld. Dankbar bin ich, dass ich auch meinen betagten Vater zu meiner Kindheit befragen konnte. Dabei wollte ich vor allem die Hintergründe für bestimmte Entscheidungen erfahren. Bei zahlreichen Treffen bekam ich alle Antworten. Dass mir diese Fragen rechtzeitig bewusst wurden und ich sie auch noch ohne Umschweife beantwortet bekam, erachte ich als den grössten persönlichen Gewinn des Projekts."

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